Eine Chronologie zu Hitlers Aufstieg zum absolut herrschenden Führer des Deutschen Reiches lesen Sie bitte hier:

Machtkampf und Wesen der Nationalsozialistischen Schreckensherrschaft



Vorstellung der Sonderausstellung 'Von der Rassenideologie zum Holocaust'

Diese Ausstellung wurde von uns auf die Platzmöglichkeit des Stadtmuseums Hofheim abgestimmt und wurde nach Vorgabe mit Objekten und Dokumenten zum Thema Zwangsarbeit ergänzt. Dabei mussten wir aus Platzgründen auf die Ausstellung von rund 50% unserer zur Verfügung stehenden Original-Dokumente verzichten.
Es können jedoch können beide Ausstellungen auch einzeln bezogen werden. Aber ebenso kann die Ausstellung, die in der hier gezeigten Konzeption rund 150qm Platz bei 8m laufender Vitrinenfläche benötigt, aus unserem Zeitgeschichtefundus mit passenden Themen ergänzt werden.

Ausstellungskonzept am Beispiel der Ausstellung in Hofheim
(3. Juli - 2. Oktober 2005)

Für den Rahmen der feierlichen Ausstellungseröffnung aber auch aus Platzgründen bot es sich an, die Rauminstallation 'Lagerzaun' im Foyer des Museums aufzubauen.



Aufnahme kurz vor Ausstellungseröffnung:
Die 3 Meter hohen 'Lagerpfosten' wurden entsprechend realer Vorgaben mit insgesamt 62 Keramik-Stromisolatoren und je 15, teils versetzten Reihen Stacheldraht hinten und vorne ausgestattet. Hier wurde aus Platzgründen ein Pfostenabstand von 2,50m gewählt. Er kann jedoch bis auf ca. 5 m vergrößert werden. Die Pfosten selbst sind aus armiertem und mit einer Zementschicht überzogenem Schaumstoff, wodurch die Deckenlast minimal ist. Die Standfestigkeit durch eine große Bodenplatte vollständig gesichert. Aus Sicherheitsgründen sind bei den unteren Stacheldrahtreihen vorne die Stachelspitzen entfernt worden.


In der ersten Vitrine befinden sich auf dem oberen Boden Dokumente des Machtkampfes der NSDAP, sowie Belege für die antisemitische Rassenideologie.
Im einzelnen:
vorne - NSDAP-Ausweis von 1932, NS-Polizeiausweis, Rechenschaftsbericht der NSDAP für das 1. Regierungsjahr und weitere Belege zur Machtergreifung.
hinten: Die Bezugsquellen der NS-Rassenideologie, 'Vererbung und Rasse' Prof. Gunnar Dahlberg 1906 und 'Die Grundlagen des 19. Jahrhunderts' Housten Steward Chamberlain um 1900, die sich darauf berufenden Bücher 'Mein Kampf' Adolf Hitler und 'Mythus des 20ten Jahrhunderts' Alfred Rosenberg, dazu entsprechende Textauszüge, Blatt der Prüfungsarbeit von 1934 einer in Frankfurt lernenden Buchhandlungsgehilfin über das Buch 'Mein Kampf', Schulbuch der Biologie mit Rassenunterricht, weitere Belege der Rassenideologie,

im mittleren Vitrinenboden liegen vorne Parteibücher der KPD, SPD, des Reichsbanners aus der Zeit vor der Machtergreifung, ein Mitgliedsbuch der 'Roten Hilfe' von 1938, der internationalen Hilfsorganisation der KP, und ein Gewerkschaftsbuch aus der Zeit vor 1933, sowie Dokumente der politischen Verfolgung nach 1933.Ausweis politische Verfolgung - Tübingen
hinten liegen Belege zur NS- Schulerziehung.

auf dem unteren Vitrinenboden befinden sich zeitgenössische Hand und Fußfesseln, wie sie in Konzentrationslagern entsprechend verwendet wurden. Dahinter befindet sich das Jahrbuch der Justiz von 1935 und als Auszug das Vorwort eines Monatsheftes, in dem ein hoher Justizbeamter (nach dem Massenmord an den Anhängern Ernst Röhms, nach Inhaftierung Tausender Politiker und Christen ohne Gerichtsverfahren, nach Berufsverbot für Juden und den Nürnberger Rassegesetzen!) bestätigt, dass das Deutsche Reich ein Rechtsstaat ist und auch bleiben wird. Weitere Auszüge aus dem 'Unrechtsbuch'. Eine Ergänzung dieser Abteilung ist mit vielen weiteren Dokumenten möglich.


In der thematisch folgenden Großvitrinen befinden sich auf dem oberen Boden Belege zur rassenpolitischen Erziehung der Jugend und zur Bedeutung der Rassenzugehörigkeit für Schule und Beruf. Im einzelnen befindet sich dort ein Lehrbericht einer Volksschulklasse von 1935, ein Schulaufsatz einer Landwirtschaftsschülerin, eine Hausarbeit eines Polizeischülers, ein Schulbuch von 1935, in dem die Schüler berechnen mussten, wie viel Geld den Steuerzahler das Leben von Geisteskranken und Behinderten jährlich kostete (am 1. Sept. 1939 erfolgt der Euthanasie-Erlass), ein Studienbuch mit Eintrag der Pflichtvorlesung 'Rassenkunde', Dokumente, die die Bedeutung des 'Ariertums' für die Berufsmöglichkeit aufzeigen, ein Wahlzettel der Reichstagswahl 1932 mit mehr als 23 Parteien und ein Wahlzettel von 1933, auf dem nur noch die NSDAP zur Wahl stand.
Auf dem unteren Boden befinden sich einige Ahnenpässe und Ariernachweise zur Berechtigung für den Schulbesuch, das Studium und Beruf weiter belegen.
Zu dieser Gruppe konnten aus Platzgründen nicht alle vorhandenen Dokumente ausgestellt werden.


Der obere Boden dieser Großvitrine behandelt die direkte Judendiskriminierung, Verfolgung und letztlich den Holocaust. Zu sehen sind:
Hetz-Flugblätter des Hausser-Verlags Frankfurt, teils mit Anweisungen, wie sich NSDAP-Mitglieder gegenüber Juden zu verhalten haben, ein Ausweis mit eingestempeltem roten 'J', 2 zusammenhängende (ungebrauchte) 'Judensterne' sowie ein 'Judenstern' eines belgischen Juden auf Mantelstoff, ein Notizbuch von 1938 mit Vermerk des Judenprogroms vom 9. November, eine Anweisung der DAF, wie sich Unternehmen gegenüber Juden verhalten sollten (nämlich in der Diskriminierung weitergehend als die Gesetze vorschrieben!), das Urteil eines (Geheim) Gerichts der NSDAP, das einen Bauern wegen Geschäfte mit Juden bestrafte, Lohnsteuerkarte mit Hinweis, das der Unterhalt von Juden im Haushalt steuerlich nicht berücksichtigt wird, Karte der 'Verbreitung der Juden im Deutschen Reich', Brief aus dem Konzentrationslager Buchenwald, nicht Geld aus dem Lager Theresienstadt, Geldüberweisungsabschnitt in das Lager Dachau. (weitere Dokumente zum Thema konnten aus Platzgründen nicht ausgestellt werden.)
In der unteren Vitrine befinden sich Objekte und Dokumente von ehemaligen Zwangsarbeitern, eine Strohmatratze aus einem Lager, Holzschuhe, wie sie als Ersatz an landwirtschaftliche Zwangsarbeiter ausgegeben wurden, Strohschuhe, wie diese von französischen Gefangenen gefertigt wurden, dazu Pässe und Lagerausweise von Zwangsarbeitern aus verschiedenen Herkunftsländern. (weitere Pässe und Dokumente konnten aus Platzgründen nicht gezeigt werden.)


Zum Thema Zwangsarbeit wurden noch 2 Rauminstallationen aufgebaut.



Durch die Länge des Krieges und die hohen Zahl der Gefallenen und Kriegsverletzten benötigte die Wehrmacht ständig neue Soldaten. Letztlich konnte sie diese nur noch aus der Arbeiterschaft rekrutieren, bzw. zwangsverpflichten. Gleichzeitig war der Ressourcenverbrauch der Wehrmacht extrem. Alle diese Güter, Ausrüstungsstücke, Waffen und Munition mussten in den Fabriken hergestellt werden. Dazu benötigten die Fabriken Arbeiter.
Auch musste das Deutsche Volk ernährt werden, wozu ebenfalls Arbeitskräfte gebraucht wurden.
Anfangs warb man in den besetzten Gebieten Arbeitskräfte zu diesen Zwecken an. Mehr und mehr ging man aber dazu über, Kriegsgefangene einzusetzen und, insbesondere aus den besetzten osteuropäischen Gebieten, Menschen in das Deutsche Reich zu verschleppen.
Diese Personen waren wie Sklaven nahezu rechtlos gestellt. Ihr einziger persönlicher Schutz war der Wert ihrer Arbeitskraft, sofern sie nicht gegen speziell für sie gemachte Gesetze verstießen, was in vielen Fällen mit der Todesstrafe geahndet wurde. Ein solches Gesetz war z.B. das Kontaktverbot nicht in Lager Internierter untereinander, aber erst Recht zur deutschen Bevölkerung. Eine Liebesbeziehung eines landwirtschaftlichen Zwangsarbeiters zu einer Reichsbürgerin bedeutete in vielen Fällen das Todesurteil für den Zwangsarbeiter, für die Deutsche die Internierung in ein Lager, im schlimmeren Fall in ein Bordell der Wehrmacht.

Allerdings erlebten die Zwangsarbeiter unterschiedliche Situationen. Besonders schlimm waren Zwangsarbeiter betroffen, die als Gruppe unter SS-Bewachung von Konzentrationslagern als Arbeitssklaven an Betriebe oder Institutionen des Reichs 'vermietet' wurden. Sie leben unter erbärmlichsten Verhältnissen und waren tagtäglich mit dem Tode bedroht.
Etwas besser erging es Kriegsgefangenen und Zwangsarbeitern, die nicht aus KZ-Transporten stammten und in zivilen Lagern lebten. Trotz aller möglichen Schikanen und strenger Lagerführung hatten sie noch etwas private Entfaltungsmöglichkeit. Vor allem hatten sie häufig die Möglichkeit, Kontakte zu noch verbliebenen deutschen Arbeitern zu unterhalten und dabei auch heimlich Unterstützung zu erhalten.
Zwangsarbeitern in der Landwirtschaft waren in den allermeisten Fällen erheblich besser gestellt. Letztlich war ihre tägliche Situation eine Frage des Charakters des Bauern, dem sie zugeteilt waren. Auch wenn die Landwirtschaft in hohem Grad NS-ideologisch durchsetzt war, differenzierten viele Bauern zwischen ihrem 'Zwangsarbeiter' und den Zwangsarbeitern generell. Bei den meisten ersetzte der Zwangsarbeiter den vom Militär eingezogenen Sohn oder Knecht, und so, wie der Knecht behandelt worden war, wurde nun auch der Zwangsarbeiter behandelt. Gleichzeitig mahnte das Los des Zwangsarbeiters an ein mögliches Schicksal des Sohns im Feindesland, dem man auch nicht wünschte, dass er geschunden wird. Bei vielen galt die bäuerliche Tradition 'wer bei mir arbeitet, der sitzt auch bei mir am Tisch'. Aber genau das war verboten und wurde kontrolliert. Ebenso wie der Umstand, dass Zwangsarbeiter nicht unter dem Dach des Wohnhauses der Bauernfamilie leben durften. Für sie wurde in der Scheune, in einem Stall oder an ähnlicher Stelle ein Lager eingerichtet. Generell kann man sagen, es gab Zwangsarbeiter, die von ihren 'Herren' schlecht behandelt wurden, aber letztlich wusste der Bauer auch, dass er die Arbeitskraft und daher den 'guten Willen' seines Zwangsarbeiters dringend brauchte. Es gab Fälle, in denen Zwangsarbeiter ihre 'Herren' in den Wirren des Kriegsendes umbrachten. Es gab aber auch Fälle, in denen landwirtschaftliche Zwangsarbeiter in späteren Nachkriegsjahren wieder Kontakt zu ihrem ehemaligen 'Herren' aufnahmen und diesen Kontakt jahrelang in Freundschaft pflegten.


6m lange Rauminstallation mit Darstellung von landwirtschaftlichen Zwangsarbeitern

Sicher ist dieses Beispiel eine Momentansituation, die nicht ausschließlich für die Zwangsarbeit gültig ist. Der Einsatz von Zwangsarbeitern erfolgte in einem Zeitraum, als der Krieg räumlich und in seiner Intensität sich immer weiter ausdehnte, wodurch der Treibstoffbedarf der deutschen Armee nicht mehr gesichert war. Für den Privatverbrauch und die Industrie waren Kraftstoffe daher rationiert, teils überhaupt nicht verfügbar. Natürlich erhielten Landwirtschaftsbetriebe als kriegswichtige Versorgungseinheiten Treibstoffzuteilungen. Diese erlaubten jedoch nur die allerwichtigsten Traktoreneinsätze, die mit menschlicher Kraft nicht zu ersetzen waren. Selbst wenn ein Landwirt noch über die Bezugsmarken oder Treibstoff verfügte, so hortete er sicherheitshalber einen Bestand, in dem er auf den Traktoreinsatz verzichtete, wenn immer das möglich war, denn es war abzusehen, dass die Versorgung immer schlechter werden würde.
Pferde standen für die Feldarbeit auch nur noch in geringem Maße zur Verfügung. Auch sie waren von der Wehrmacht eingezogen worden. In den unwegsamen Weiten Russlands waren Pferde den Kraftfahrzeugen in vielen Fällen überlegen.
Der Einsatz von menschlicher Arbeitskraft war daher auch bei - für uns heute unvorstellbar schweren - Arbeiten unerlässlich. Sicher war es nicht möglich, mit menschlicher Kraft zu pflügen, also Schollen umzubrechen. In diesem Falle handelt es sich jedoch um einen Beet- oder Streichpflug, mit dem die durch Pflügen und Eggen bereits gelockerte Erde nach der Kartoffelsaat an den Saatreihen angehäufelt wurde.
Natürlich überließ man solche harte Arbeit lieber Zwangsarbeitern, kriegsgefangenen Soldaten, die jung und bei Kraft waren, während auf dem Hof durch den Einzug der Bauernsöhne und Knechte ansonsten nur noch Frauen und alte Männer zur Verfügung standen. (ein entsprechendes Foto von Kriegsgefangenen, die einen Pflug ziehen, liegt im Stadtarchiv Hofheim vor.)
In der Installation ziehen zwei sowjetische Kriegsgefangene den Pflug (erkenntlich an Resten ihrer Uniformen), während ein französischer Kriegsgefangener hinter dem Pflug geht (erkenntlich an Uniformshose und Jacke). Dabei wird auch die Hierarchie angezeigt. Sowjetische Kriegsgefangene standen als Zwangsarbeiter an der untersten Stufe der Hierarchie und wurden - Folge der jahrelangen 'Untermenschen' Doktrin der Rassenideologen der NSDAP - deutlich schlechter behandelt und versorgt und bei Gesetzesverstößen härter bestraft als westliche Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter.



Schlafplatz eines Zwangsarbeiters in einer Scheune
die Aufnahme zeigt die Installation in noch nicht fertiggestelltem Zustand.
Es fehlen noch die Podestumrandung und der Lehmboden

Es war den Bauern verboten, Zwangsarbeiter unter ihrem Dach leben zu lassen oder ihnen gar Familienanschluss zu gewähren. Das wurde von den Ortsbauernführern überwacht. Allerdings war es insbesondere in kleineren Orten, in denen die Bauernfamilien seit Jahrhunderten miteinander lebten, miteinander verwand und verschwägert waren und sich durch jahrzehntelange gegenseitige Arbeitshilfe gut kannten, oft nicht durchsetzbar. Hielt sich ein Bauer nicht an diese Bestimmungen, so blieb es oft dabei. Der Ortsbauernführer hätte gar keine Möglichkeit gehabt, die NS-Vorschriften durchzusetzen, außer er hätte den entsprechenden Bauern, mit dem er womöglich verwand war, angezeigt. Damit hätte er sich aber so außerhalb der Ortsgemeinschaft gestellt, dass er es im Allgemeinen - so lange niemand von außerhalb informiert war - letztlich bei Appellen und Ermahnungen beließ.

Nach dem Ende des 3. Reiches war das Leiden vieler Hunderttausend Zwangsarbeiter nicht zu Ende. Durch den Krieg hatten sich neue Machtverhältnisse gebildet. Praktisch alle von Deutschland besetzten Ostgebiete fielen in den Herrschaftsbereich der Sowjetunion und wurden kommunistisch. Viele Zwangsarbeiter wollten oder konnten nicht mehr in Ihre Heimat zurück. Es sprach sich schnell herum, das Stalin sowjetische Soldaten, die in deutsche Kriegsgefangenschaft geraten waren (anstatt bis zur letzten Patrone ihr Leben fürs Vaterland einzusetzen) und die als Zwangsarbeiter für die deutsche Rüstungsindustrie und Landwirtshaft gearbeitet hatten, als Kollaborateure erschießen ließ, zumindest mit ihren Familien für Jahrzehnte nach Sibirien verbannte. Viele Zwangsarbeiter lebten daher noch bis in die 50er Jahre auf deutschen Boden in alliierten DP-Lagern (Displaced Persons Camps). Einige entschieden sich dann, ganz in Deutschland zu bleiben und sich hier einzubürgern. Andere wanderten nach Südamerika, Kanada, Palästina oder Australien aus. Die hier vorhandenen Dokumente konnten in der Hofheimer Ausstellung aus Platzgründen nicht mehr gezeigt werden.




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